Katalog der antiken Münzen mit dem Rückseitenmotiv 'Herakles Farnese'
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1. hellenistische Epoche
| Einführung Die älteste Nachricht für das Sammeln von Antiken in Kassel bezeugt, daß im Jahre 1603 Antiken aus Frankreich, darunter sieben römische Lampen, von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (‚Der Gelehrte', reg. 1592-1627) für seine "Antiquitätenkammer" angekauft wurden. Ihren bedeutendsten Zuwachs erhielt die Antikensammlung in der Epoche des akademischen Klassizismus unter Landgraf Friedrich II. (reg. 1760-1785). Er machte sie 1779 im Kontext der enzyklopädisch angelegten Sammlungen und der Bibliothek im Museum Fridericianum der Öffentlichkeit zugänglich. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der auch den Antiken beträchtlichen Schaden zufügte, gingen die Staatlichen Kunstsammlungen Kassel 1948 in den Besitz des Bundeslandes Hessen über. In der Datenbank MuseumPlus ist die Antikensammlung mit 4800 Objekten vollständig erfaßt. Diese Daten schrittweise öffentlich zugänglich zu machen, ist erklärtes Ziel der Museumslandschaft Hessen Kassel. Einzelne, in sich abgeschlossene Bereiche der Sammlung, deren wissenschaftliche Bearbeitung weit fortgeschritten ist, sollen in Online-Publikationen vorgestellt werden. ‚Herkules Farnese' und ‚Kasseler Herkules' Landgraf Karl (reg. 1677-1730) von Hessen-Kassel hatte seit 1701 westlich der Residenzstadt Kassel eine riesige Gartenanlage errichten lassen. Vom Gipfel des ‚Karlsberges' blickt daher als Krönung der barocken Landschaftsarchitektur seit 1717 der ‚Kasseler Herkules' über Bergpark und Schloß Wilhelmshöhe ins Land - eine über acht Meter hohe Kopie der ‚Herkules Farnese' aus getriebenem Kupferblech. Der Landgraf hatte diese weltberühmte antike Skulptur während seiner Italienreise 1699/1700 in Rom gesehen und zum Sinnbild seines fürstlichen Herrschaftsanspruches gemacht. Die Statue des ‚Herkules Farnese' war später nach Neapel transportiert worden, wo sie heute im Archäologischen Nationalmuseum zu sehen ist. Sie war 1546 in den Ruinen der Caracalla-Thermen gefunden worden. Vermutlich wurde die Statue eigens für diesen Aufstellungsort um 220 n.Chr. angefertigt. In der Klassischen Archäologie ist heute anerkannt, daß das bronzene Urbild dieser Statue dem spätklassischen griechischen Künstler Lysipp (4. Jh.v.Chr.) zuzuschreiben ist. Da sich mehrere großformatige Kopien in ihren Maßen entsprechen, geht man davon aus, daß auch das Original monumentale Ausmaße hatte. Der während seiner Heldentaten rastende Herkules hat seine Keule auf einen Felsen gestützt. Das Fell des nemeischen Löwen benutzt er nicht als Rüstung, sondern als Polster am Griff seiner Keule, die er sich unter die linke Achselhöhle geklemmt hat. Den Blick senkt der Held nach unten. Seine rechte Hand liegt hinter dem Rücken. Erst beim Blick auf die Rückseite der Statue werden die drei Äpfel sichtbar, welche Herkules bei den Hesperiden errungen hatte. Mehr als 200 groß- und kleinformatige statuarische Wiederholungen und Variationen des ‚Herkules Farnese' aus römischer Zeit sind Beleg für die hohe Berühmtheit, welche die Statue in der Antike hatte. Die Archäologie geht heute mehrheitlich davon aus, daß die erhaltenen römischen Kopien von dem - in der Neapler Statue am besten überlieferten - lysippischen Urbild und einer hellenistischen oder römische Variante, dem ‚Herkules Caserta' abgeleitet sind. Diese zweite monumentale Herkules-Skulptur wurde zusammen mit dem ‚Herkules Farnese' in den Caracalla-Thermen gefunden und vor einigen Jahren im Palazzo Reale der italienischen Stadt Caserta wiederentdeckt. Als Auflagefläche der Keule dient beim ‚Herkules Caserta' ein großer Stierschädel, hinter Herkules steht ein Köcher mit Pfeil und Bogen. Auch diese Statue ist auf antiken Münzen abgebildet worden. In der Stadt Kassel begegnet einem die Figur des ‚Kasseler Herkules' bei vielen Gelegenheiten. Ein Abguß einer verkleinerten Marmorstatue aus dem Schloß Weißenstein schmückt beispielsweise die Parkanlage am viel befahrenen Leipziger Platz. Auch die Münzsammlung in der Antikensammlung und der Online-Katalog verstehen sich als Reverenz an den berühmten ‚Kasseler Herkules'. Der Bestandskatalog der antiken Münzen mit dem Rückseitenmotiv ‚Herkules Farnese' als Online-Publikation Für die Kasseler Antikensammlung wurde seit den 1980er Jahren, beraten durch den Numismatiker Bernd Hamborg (Uelzen), eine umfangreiche Sammlung von Münzbildern des ‚Herkules Farnese' aufgebaut. Auslöser waren zum einen die Bedeutung des Statuentyps für die Lokalgeschichte Kassels und zum anderen die Frage nach den künstlerischen Beziehungen zwischen monumentalem statuarischen Vorbild und verkleinertem Münzbild. Die in der archäologischen Forschung bisher nur selektiv einbezogenen Münzen stehen nun erstmals systematisch geordnet zur Verfügung. Ordnungsprinzip des Online-Kataloges ist die Chronologie: Nach einer hellenistischen und zwei republikanischen Prägungen sind 220 römische Münzen von Hadrian bis Konstantin aufgelistet, denn vor allem die späteren römischen Kaiser veranschaulichten ihre Stärke und Tapferkeit im Bild des Helden Herkules. Stempel- und typengleiche Münzen sind durch ‚links' unmittelbar verknüpft, ebenso diejenigen derselben Prägestätte und aus der gleichen römischen Provinz. Der Bestand ist auch über eine umfangreiche Suchfunktion erschlossen. Lokale Prägungen der römischen Kaiserzeit machen etwa ein Viertel des Bestandes aus. Überblickt man diese Münzen, so machen einige gut gestaltete Bilder deutlich, daß die Münzschneider durchaus in der Lage waren, die dreidimensionale Qualität der Statue nachvollziehbar darzustellen. Stellt man aber zeitgleiche Münzen verschiedener Prägeorte nebeneinander oder vergleicht die Prägungen eines Ortes über einen Zeitraum, so wird deutlich, daß für die stilistische Gestaltung der Münzen gattungsspezifische und lokale Eigenheiten gelten. Im Gegensatz zu diesem Variantenreichtum ist bei den etwa 150 römischen Reichsprägungen des Kataloges eine große stilistische Einheitlichkeit festzustellen, die es erlaubt, vier Haupt-Typen der ‚Herkules Farnese'-Figur zu unterscheiden. Unter Gordianus III. (238-244 v.Chr.) erscheint Typ I, der nur für diesen Kaiser belegt ist. Typ II ist zu finden auf Münzen des Gallienus (253-268 n.Chr.) und - sehr ähnlich - auch auf denen des Gegenkaisers Postumus (260-269 n.Chr.). Unter Diocletian und Maximianus I. Herculius entsteht Typ IIIa (284-305 n.Chr.). Der folgende Typ IIIb ist vom vorhergehenden abgeleitet und begegnet (in Varianten) auf Münzen unter Maximinus II. Daia (305-313 n.Chr.), Licinius (308-324 n.Chr.) und Constantinus I. (306-337 n.Chr.). Technischer Hintergrund Die Informationen zu den einzelnen Objekten sind in der Datenbank MuseumPlus hinterlegt, dem elektronischen Programm zur Organisation und Bearbeitung des Inventars bei den Museumslandschaft Hessen Kassel. Die Daten für den Online-Katalog wurden aus dem Gesamtdatenbestand des zentralen MS-SQL-Servers herausgefiltert und als Textdateien in eine MySQL-Datenbank exportiert. Dank Für jahrzehntelange wissenschaftliche Unterstützung auf dem Gebiet der Numismatik danken wir Bernd Hamborg (Uelzen). Dank gebührt auch allen bei der Erstellung des Online-Kataloges beteiligten Kolleginnen und Kollegen der Museumslandschaft Hessen Kassel.
Michael Eissenhauer Kassel, Februar 2006 Literaturauswahl zur Einführung (Die Abkürzungen beziehen sich auf die Literaturliste zum Katalog) Herkules in der antiken Kunst und Literatur R. Vollkommer, Herkules in the Art of Classical Greece (1988); B. Effe, Heroische Größe. Der Funktionswandel des Herkules-Mythos in der griechisch-römischen Literatur in: R. Kray-S. Oettermann (Hrsg.), Herkules/Hercules I. Metamorphosen des Heros in ihrer medialen Vielfalt (1994) 15ff.; H. Kloft, Herkules als Vorbild. Zur politischen Funktion eines griechischen Mythos in Rom, ebenda, 25ff.; S. Kansteiner, Herkules. Die Darstellungen in der Großplastik der Antike (2000). Herkules Farnese P. Weizsäcker, Bemerkungen zum Farnesischen Herkules in: Archäologische Zeitung 40, 1882, 255ff.; A. Furtwängler in: W.H. Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mytholgie I.2 (1886-1890) 2172ff. s.v. Herkules; O. Gruppe in: RE Suppl. III (1918) 1109ff. s.v. Herkules; Vermeule 1975; Moreno 1982; P. Gercke, Herkules Farnese in Kassel in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 22, 1982, 29ff.; Krull 1985; O. Palagia in: LIMC IV (1988) 728-838 s.v. Herkules; R.R.R. Smith, Hellenistic Sculpture (1991) 64f.; S. Gogos, Ein Herkules von Naupaktos in: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien 62, 1993, 45ff.; W. Fuchs, Die Skulptur der Griechen (1993) 101f.; Moreno 1995; Ridgway 1997, 289ff.; W. Löwe, Die Kolossalfigur des Lysipp, in: C. Lukatis-H.Ottomeyer (Hrsg.), Herkules: Tugendheld und Herrscherideal. Das Herkules-Monument in Kassel-Wilhelmshöhe, Ausstellungskatalog Kassel (1997) 31ff.; J. Boardman, Griechische Plastik. Die spätklassische Zeit und die Plastik in Kolonien und Sammlungen (1998) 66ff.; R. M. Schneider, Der Hercules Farnese, in: L. Giuliani (Hrsg.), Meisterwerke der antiken Kunst (2005) 136ff. Numismatik E.A. Sydenham, The Coinage of the Roman Republic (1952); P.R. Franke-M. Hirmer, Die griechische Münze (1964; ²1972); J.P. Kent-B. Overbeck-A.U. Stylow-M. Hirmer, Die römische Münze (1973); M.H. Crawford, Roman Republican Coinage (1974); R. Göbl, Antike Numismatik (1978); M. Radnoti-Alföldi, Antike Numismatik I-II (1978); A. Burnett, Coinage in the Roman World (1987); K. Kraft, Das System der kaiserzeitlichen Münzprägung in Kleinasien. Materialien und Entwürfe (1972); R. Wolters, nummi signati. Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft. Vestigia 49 (1999). Geschichte der römischen Provinzen Franke 1968; Bechert 1999; Marek 2003; E. Schwertheim, Kleinasien in der Antike. Von den Hethitern bis Konstantin (2005). |